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Kapitel 11
Rubai hört auf, Drogen zu nehmen.
Ein Versuch.
Gunkel sagt, und der spricht ja sehr tief, aber das kann ich nicht so tief sprechen,
das Problem beim Drogenausstieg ist,
Nüchternheit als Ersatzdroge funktioniert nur eine Zeit lang.
Ich habe eine große Affinität zu Drogen aller Art,
soll heißen, ich verstehe, warum Selbige sich seit Menschengedenken großer Beliebtheit erfreuen.
Sie erweitern unser Bewusstsein, machen mutiger, spenden Trost,
überwinden Gräben und lassen uns frohlocken.
Die Kehrseite ist das böse Erwachen, die Scham, das Selbstmitleid,
die schwarzen Löcher und der panische Griff zum Handy.
Habe ich diese SMS gestern wirklich noch abgeschickt?
Anfangen möchte ich aber mit einer anderen Droge.
Sie hat keine rauschhafte Wirkung,
ist aber trotz*** die nach *** Heroin am schnellsten und stärksten abhängig machende.
Ich habe 20 Jahre geraucht.
Und ich habe es konsequent betrieben wie sonst nichts in meinem Leben.
Eine Schachtel täglich, zu jeder Jahreszeit, egal ob gesund oder krank,
in Stresssituationen oder im Urlaub.
Meine Motivation, morgens aufzustehen, war Nikotin.
Und ich war stolz auf mich, wenn ich so lange mit der ersten Zigarette warten konnte,
bis der Kaffee fertig war.
Manchmal steckte ich mir die erste auch schon im Bett an.
Rauchen war in meinem Elternhaus positiv konnotiert
und ich dachte, erwachsen werden heißt, mit *** Rauchen zu beginnen.
Oder umgekehrt.
Meine Eltern rauchen heute noch.
Es war die klassische 80er-Jahre-Kindheit.
Renault R4 ohne Nackenstütze, natürlich nicht angeschnallt.
Hinten drei Kinder, vorne die Eltern.
Beide qualmend.
Die Fenster blieben zu, es könnte sich ja jemand verkühlen.
Im Kindergarten haben wir den Elternhaus.
Wir haben als Weihnachtsgeschenk Aschenbecher gebastelt.
Vielleicht kann ich mich auch deshalb wenig an meine Kindheit erinnern,
weil alles immer vernebelt war.
Im Fasching gingen meine Freunde als Batman und Superman.
Ich war der Marlboro-Man.
Meine ersten Doktorspiele sahen so aus,
meine Freundin hörte meine Lunge ab und sagte,
ich glaube, du gehörst zu einem richtigen Arzt.
Jahrelang war es undenkbar für mich, das Rauchen einzustellen.
Rauchen war die Vorstellung von Freiheit
und der Inbekannte.
Der Begriff von Coolness.
James Dean ohne Zigarette?
Sean Penn ohne Zigarette?
Die Beatles ohne Zigarette?
Lesen? Telefonieren? Trinken? Atmen? Ohne Zigarette?
Schon wenn ich einige Stunden aufs Rauchen verzichten musste,
schien mir alles trostlos und leer.
Wann genau der Gedanke begann, konkret zu werden,
es doch einmal zu probieren, nämlich mit *** Rauchen aufzuhören,
weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich nur an zwei prägende Dinge.
Unsere größere Tochter kam eines Tages vom Kindergarten heim
und erklärte mir, sie würde nun meine Raucherei
nicht mehr länger akzeptieren, weil sie heute gelernt habe,
dass man sich beim Rauchen die Lunge brechen könne.
Das zweite Ereignis war die Erkenntnis,
dass ich überall sonst in meinem Leben alles daran setzte,
ein autonomes, selbstbestimmtes Leben zu führen
und dann aber um drei Uhr früh bei Minusgraden im Pyjama
zum Zigarettenautomaten ging.
Es folgte mir, dass ich mich nicht mehr so gut fühle,
sondern halbherzige Versuche.
Ich las den Klassiker Endlich Nichtraucher,
besuchte Raucherentwöhnungsseminare und versuchte es mit Hypnose.
Zumindest Letzteres empfand ich als sehr angenehm.
Mir gefiel es, eingelullt in ein anderes Bewusstsein gehievt zu werden.
Es brachte nur leider nichts, denn wenn man gute Drogenerfahrungen hat,
ist das eben nicht so leicht.
Apropos gute Drogen, da fällt mir ein,
dass mein finnischer Freund Juhani,
Sie kennen ihn aus *** zweiten Kapitel,
in Amsterdam einmal glaubte, er sei ein Pferd.
Und auf der Zugfahrt zurück,
als wir aus Angst vor einer Kontrolle noch schnell alles eingeworfen hatten,
aß er zuerst drei riesengroße Vanilleschnecken.
Dabei flüsterte er ständig, die sind urgut.
Später schlief er ein, zunächst tief und fest, wie es schien,
doch nach kurzer Zeit schreckte er auf
und hielt bis Wien seinen Kopf extrem schief.
Das Bild war ihm verrutscht und er musste es ausgleichen.
Er schlief ein, zunächst tief und fest, wie es schien,
Mit diesen Erfahrungen konnte die sehr freundliche Hypnotiseurin
nicht mithalten und es dauerte keine 24 Stunden,
bis ich wieder rauchte.
Das Seminar war ein noch größerer Reinfall.
Ein eitler Typ betete Stehsätze herunter,
die er sich selbst als einziger glaubte.
Es half alles nichts.
Immer und immer wieder wurde ich rückfällig
und immer auf ähnliche beschämende Art
bei Freunden einen Zug nehmen, heimlich, dann unbemerkt,
zu Trafik schleichen und für einen Freund Chick holen
oder nur noch Zigarillos rauchen oder völliger Abstieg pfeife.
Es war erbärmlich.
Dann empfahl mir jemand den Psychiater und Suchtexperten Dr. Arif Mendelssohn.
Er gefiel mir auf Anhieb, vor allem wegen seines fantastischen Namens,
der direkt aus Thorbergs Tante Joles stammen könnte,
falls Sie zu den Glücklichen gehören,
die die Lektüre dieses Buches noch vorsichtigen,
nicht haben, beneide ich Sie.
Ich lag nicht falsch, Dr. Mendelssohn entpuppte sich
als sehr freundlicher, hochintelligenter Mensch,
der alles über Süchte weiß, ohne jemals selbst
und am eigenen Leib einer erlegen zu sein.
Letzteres unterstelle ich ihm einfach,
weil er so gesund und abgeklärt aussieht.
Das ist übrigens auch überhaupt kein Widerspruch.
Viele der aktuell besten Fußballtrainer, Klopp, Nagelsmann, Tuchel,
waren selbst bloß durchschnittliche Fußballer.
Ja, aber das nur am Rande.
Der Psychiater trug mir auf, dass ich ab sofort für drei Wochen
ein Rauchertagebuch führen müsste
und wir einen Termin in ungefähr sechs Wochen
als Ereignis festlegen sollten,
an *** ich das Rauchen hinter mir lassen würde.
Wir legten den 1. Dezember fest.
Im Rauchertagebuch musste ich jede gerauchte Zigarette genau analysieren.
Wo bin ich gerade? Bin ich gestresst? Bin ich entspannt?
Wie schmeckt es? Wie riecht es?
Was denke ich beim ersten, beim letzten Zug?
Einfach alles, was mir während des Rauchens einfiel.
Außer*** durfte ich rauchen, so viel ich wollte,
aber keine Marke ein zweites Mal kaufen,
was bewirkte, dass ich nach einigen Tagen in der Trafik stand
und Ernte 23, Dames oder Johnny Filter bestellte.
Ich durfte die Stummel auch nicht mehr achtlos ausdämpfen oder wegwerfen,
sondern musste sie in einem großen Gurkenglas sammeln,
das ich für die Wochen bis zu meinem Termin,
nun immer dabei haben musste.
Beim Kochen, beim Spazierengehen,
selbst beim Schlafen stellte ich diese Kloake aus Zigarettenresten neben das Bett.
Auszug aus meinem Rauchertagebuch
1. November 2013
Ich habe heute sogar ein Müsli gegessen,
bevor ich die erste Zigarette rauchte.
Sie schmeckte jetzt aber gerade urgut,
obwohl es sich um die Marke Hobby handelt.
Gut, mir ist bewusst, dass es die erste ist
und alle danach nicht mehr so gut sein werden.
Hoffe ich zumindest.
11. November 2013
Tatsächlich hat mir die Zigarette gerade nicht geschmeckt.
Diese Jump-Picks sind wirklich ein Teufelszeug.
Genau wissen möchte ich nicht, was da drin ist,
aber Vermarktung können sie, die Amis.
Die Packung sieht aus wie ein Cover von Pink Floyd.
29. November 2013
Habe an der 13. November 2013
an einer Busstation eine geraucht.
Sie hat leider wieder ziemlich gut geschmeckt.
Es sind noch zwei Tage.
Das schaffe ich nie.
Ich kann an nichts anderes mehr denken.
Vielleicht rauche ich heute Nacht noch einmal ganz viele Zigaretten,
bis mir so graust, dass ich mir das Grauen für alle Zeit einpräge.
Es soll mich ja wappnen.
Ich kann an nichts anderes mehr denken.
Auf der Milchglasscheibe neben *** Busfahrplan steht
Ollas is Oarsch.
*** ist es nicht gut.
Da muss gerade nichts hinzuzufügen.
Wir behandeln sie wie einen Alkoholiker,
sagte der Doktor.
Dr. Mendelssohn erzählte mir alles über Suchtkurven
und wann die Wahrscheinlichkeit des Rückfalls am größten sein werde.
Sie müssen gerüstet sein.
Schon die kleinste Menge wäre riskant.
Bei ihnen macht nicht mehr die Dosis das Gift,
sondern das Gift ist das Gift.
Zusätzlich gab es für die ersten Monate
drei verschiedene Antidepressiva,
um die Schmerzen zu lösen.
Stimmungskurven allesamt auszugleichen.
Ich habe ja an anderer Stelle schon gesagt,
dass ich Team Schulmedizin bin,
weil diese meinen Töchtern und meiner Frau
das Leben gerettet hat
und dies möchte ich nochmals bekräftigen.
Ich weiß, dass es bei vielen Menschen
eine große Hemmung gibt, Antidepressiva zu nehmen.
Ich möchte ihnen die Angst nehmen.
In der richtigen Dosis helfen diese Wunderpillen.
Man spürt richtig, wie die Hoffnung einschießt
und die Welt wieder Farbe bekommt.
Natürlich gibt es Nebenwirkungen,
die mitunter nicht ohne sind,
aber das lässt sich in den Griff kriegen.
Der Markt ist so groß,
dass man sich ganz gut durchtesten kann.
Ein Medikament wirkte gut,
doch mein Gesicht sah nach ein paar Wochen
blass und aufgedunsen aus,
wie ein Badeschwamm,
der zwei Wochen in der Wanne gelegen hat.
In diesem Fall gewann die Eitelkeit
gegen das Wohlbefinden.
Bei einem anderen kam zwar die Gesichtsfarbe zurück,
aber ich konnte mich nicht mehr so gut konzentrieren
und ein drittes kündigte im Beipack
Tests zu geben.
Ich habe mir im Text eine Dauererektion
als mögliche Nebenwirkung an.
Das war mir dann doch zu riskant.
Aber zu guter Letzt fand ich das passende Medikament,
das bei mir keine erkennbaren Nebenwirkungen zeigte.
Also keine Panik vor Glückspillen.
Sie können sich natürlich genauso gut auf die Couch legen
und sich einer Psychotherapie hingeben.
Auch das habe ich ausprobiert,
was anfangs recht befriedigend war,
weil es stets damit endete,
dass die Eltern die Schuld an meiner Situation tragen würden.
Aber das war nicht so.
Letztlich griffen diese Therapien bei mir allesamt nicht,
weil ich in jeder Sitzung ab der ersten Frage
nur noch herauszufinden versuchte,
worauf der Therapeut oder die Therapeutin abzielte.
Das Ergründen nahm meine ganze Aufmerksamkeit völlig in Anspruch
und verunmöglichte jede andere,
weitere Art der Seelenerkundung.
Als allerletztes versuchte ich es mit Psychoanalyse
der Königin unter den Therapien.
Man muss sich verpflichtend viermal die Worte sagen,
woher auf die Couch legen
und darf nur auf Urlaub fahren,
wenn die Therapeutin auch fährt.
Die Dame konnte sich in der zweiten Stunde,
die eigentlich nur 45 Minuten dauerte
und 160 Euro kostete,
nicht mehr erinnern,
worüber wir die Woche davor gesprochen hatten.
Das war dann meine Heilung.
Ich dachte, würde ich so lausig performen,
würde niemand sich auch nur mit einer Freikarte
ins Theater setzen wollen.
Jedenfalls reifte in mir der untrügliche Verdacht,
dass es bei Psychoanalysen und Psychotherapien
sehr oft darum geht, den eigenen Egoismus zu stärken.
Das kann bis zu einem gewissen Grad
für einen selbst sehr hilfreich sein,
aber an das Miteinanderdenken solche Therapieansätze
leider viel zu wenig, behaupte ich.
Ja, und meine Behauptungen unterstreiche ich gerne
mit klugen Köpfen.
Karl Kraus.
Die Psychoanalyse ist die Krankheit,
für deren Heilung sie sich hält.
Wollen wir wirklich diesem großen Intellektuellen widersprechen?
Oder etwas weniger polemisch drückt es
Mihaly Csikszentmihalyi in seinem Buch Flow aus.
Die Kontrolle über das Bewusstsein
kann nicht institutionalisiert werden.
Sobald sie zum Bestandteil des Rasters
gesellschaftlicher Regeln und Normen wird,
ist sie nicht mehr so wirksam,
wie sie ursprünglich sein konnte.
Die Routine setzt leider sehr rasch ein.
Freud war noch am Leben,
als seine Bemühungen,
das Ich von seinen Unterdrückern zu befreien,
sich zu einer gestandenen Ideologie
und starr geregelter Profession auswuchsen.
Zu guter Letzt sagte der Herr Doktor,
ich glaube, Sie sind bereit,
jetzt brauchen wir nur noch etwas für Ihre Hände.
Ich verstand nicht gleich, aber
er hatte schon eine Liste an Vorschlägen auf den Tisch gelegt.
Sie könnten Origami falten oder stricken oder häkeln.
Es gehe darum, dass die Hände in den ersten Wochen
permanente Beschäftigung brauchen,
um nicht immer zu süßem zu greifen,
wenn das Verlangen zu groß werde,
was garantiert passieren würde.
Ich entschied mich für Häkeln
und ließ mir selbiges von meiner Mutter zeigen.
Von nun an nahm ich das Häkelzeug überall mit.
Ich häkelte morgens beim Zeitunglesen,
mittags vor der Schule,
wenn ich auf die Mädchen wartete,
abends zwischen Soundcheck und Vorstellung.
Glauben Sie mir,
wenn Sie es durchgesteuert haben,
als erwachsener, wahlberechtigter Mann
vor Thomas Stipschitz in der Garderobe zu häkeln,
kann Ihnen nichts mehr passieren.
Und ich häkelte sogar nachts
nach der Vorstellung in der Bar,
in die wir noch gingen,
weil uns das Adrenalin nicht gleich schlafen ließ.
Es wurde eine windschiefe, hässliche,
Fleckerlteppich-ähnliche Fernsehdecke.
Aber sie ist mein ganzer Stolz
und mein Nikotin-Mahnmal.
Es gab zwei weitere Verordnungen von Dr. Mendelssohn.
Erstens ab Tag X,
Stunde Null täglich das Geld zu sammeln,
das ich für Zigaretten ausgegeben hätte
und mir dafür nach sieben Tagen
erfolgreichen Nikotinentzugs
eine Belohnung zu schenken.
Ich wählte als Aufbewahrungsort
das frisch gewaschene
Chickstummel-Gurkenglas
und erwarb am Ende der Woche
eine Flasche Wein für 200 Euro,
was ich noch niemals zuvor getan hatte.
Ich trank die Flasche auf einen Satz.
Der Wein schmeckte durchaus interessant.
Letztlich bleibe ich aber
auf *** Standpunkt,
dass es zwischen 10 und 25 Euro
einen großen Sprung im Geschmack gibt.
Danach steige ich aus.
Zweitens sollte ich
nach Mendelssohnscher Anweisung
mit etwas beginnen,
das bis dahin für mich undenkbar gewesen wäre.
Ich fing an zu laufen.
Und ich habe bis zum heutigen Tag
nicht mehr damit aufgehört.
Laufen ist wundersam.
Es bleibt die tägliche Überwindung,
der tägliche Kampf mit *** sogenannten Schweinehund.
Die Qualen,
wenn man unausgeschlafen oder alkoholisiert ist
und aber die Gewissheit,
dass es einem danach immer besser geht.
Laufen ist unaufwendig.
Im Grunde brauchen sie nur ein paar Schuhe
und dann können sie es immer und überall tun.
Und seit die Mobiltelefone
auch mit Navigationsgeräten ausgestattet sind,
finde sogar ich jedes Mal wieder heim.
Haruki Murakami
Nicht viele sind Riesen,
wie Shakespeare, Balsak,
Dicken,
die Mittel und Wege,
die ein Autor zur Kompensierung
seiner Schwächen anwendet,
können ein Teil seiner Individualität werden
und ihn auszeichnen.
Das meiste über das Schreiben von Romanen
habe ich über mein tägliches Lauftraining gelernt.
Ich bin *** Laufen zutiefst dankbar.
Ich will Ihnen, wovon ich rede,
wenn ich vom Laufen rede,
von Murakami ans Herz legen.
Die Deutsche Wochenzeitung Die Zeit
publizierte während der Corona-Krise
ein Laufsignal,
ein Laufspecial.
Sie schreibt,
gäbe es Laufen nicht,
man hätte es für die Corona-Krise erfinden müssen.
Laufen, der einfachste Sport der Welt,
ohne Mitspieler,
bei denen man sich anstecken könnte
oder umgekehrt,
ohne Spielfeld oder Hallen,
die derzeit geschlossen sind,
ohne aufwendiges Equipment,
das man sich gerade nur sehr umständlich zulegen kann,
ohne Vorkenntnisse,
ohne Regelbuch,
es braucht nur ein paar ordentliche Schuhe
und manchmal nicht einmal das,
ein Bein vor das andere.
Vogel fliegt, Fisch schwimmt,
Mensch läuft,
sagte der tschechoslowakische
Jahrhundertläufer Emil Zatopäck.
Stimmt.
Lesen und Laufen sind die einfachsten
und schönsten Dinge.
Bei meinem ersten Halbmarathon
wurde ich im Zieleinlauf
von einer Frau überholt,
die barfuß lief und ein Brautkleid trug.
So beginnen Romane.
Ich will eine 42,195 Kilometer
lange Bücherwand.
Ich bin nun im siebten Jahr
des Nichtrauchens
und es passiert,
dass ich wochenlang nicht an Zigaretten denke.
Der Doktor hatte mit allem Recht.
Die Abstände werden größer,
in denen sich das Verlangen meldet,
aber es kommt, auch nach Jahren,
gnadenlos.
Ganz plötzlich, wenn mir morgens auf der Straße
frischer Zigarettenduft entgegenweht,
will ich alles über Bord werfen
und einfach nur rauchen.
Aber ich tue es nicht.
Ich weiß, dass das Verlangen vorbeigeht.
Nun aber zu meiner Lieblingsgeschichte.
Meine Lieblingsdroge.
Meiner Muse.
Meiner Hassliebe.
Meinem Konfliktpartner.
*** Wein.
Tom Hodgkinson.
Wie oft liegen wir nachts wach
und lassen uns all die Dinge quälen,
durch den Kopf gehen,
die wir in Zukunft noch tun müssen
oder die wir in der Vergangenheit
falsch gemacht haben?
Darum finde ich gemäßigte Besäufnisse wunderbar,
solange die Qualität der Getränke hoch ist.
Zitat Ende.
Harald Juncke,
und das Zitat werden Sie wahrscheinlich kennen,
beschreibt diesen herrlichen Zustand so.
Keine Termine und leicht einen Sitzen.
Ja, wenn es denn so einfach wäre.
Wein ist die letzte Droge,
die mir noch geblieben ist.
Und ich liebe ihn.
Wie jeder großen Liebe
muss man sich ihr mit Respekt nähern.
Ich versuche seit Jahren herauszufinden,
wie ein guter Umgang mit Alkohol möglich ist.
Nehmen wir zum Beispiel
die französische Winzermethode.
Diese bedeutet einen Tag jede Woche
plus eine Woche pro Monat
plus einen Monat pro Jahr keinen Alkohol.
Das Problem hierbei ist,
dass diese Herangehensweise dazu verleitet,
sich an den erlaubten Tagen
hemmungslos die Kante zu geben.
Ein Freund von mir machte es jahrelang so.
Kein Alkohol, bevor es dunkel ist.
Im Sommer wird das schwierig.
Irgendwann sah ich ihn um 14 Uhr Wein trinken.
Auf meinen Nachfragen meinte er,
Ja, ich habe die Methode adaptiert.
Rotwein erst, wenn es dunkel wird.
Weißwein, solange es hell ist.
Ich habe bereits von meinen Freunden erzählt,
kein einziger von ihnen ist auch nur annähernd normal.
Und immer, wenn ich an diese meine Freunde denke,
muss ich an den Satz denken,
den der Kleinste in Krieg der Knöpfe immer sagt.
Wenn ich das gewusst hätte,
wäre ich nicht mitgekommen.
Das Beispiel zeigt,
dass wir natürlich zu Selbstbetrug neigen,
wenn König Alkohol im Spiel ist.
Wieder Tokotronik.
Wir müssen uns verschwenden an die Dinge,
die viel größer sind, als wir verkraften können.
Volle Gönnung.
Ich habe quasi als Recherche für dieses Buch
mehrere Bücher über Alkohol gelesen.
Das sind jene, die ich Ihnen auch literarisch empfehlen möchte.
Liste der Literatur zum Thema Alkohol.
Der Trinker von Hans Fallada.
Das verlorene Wochenende von Charles Jackson.
Eine kurze Geschichte der Trunkenheit von Mark Fawcett.
Nüchtern von Daniel Schreiber.
König Alkohol, Jack London.
Die Kunst, Champagner zu trinken von Amelino Tomp.
Ich habe ein paar Stellen aus diesen Büchern herausgeschrieben
und werde nun lose mit diesen in ein Zwiegespräch eintreten.
Hans Fallada, der Trinker.
Wir waren nicht gewöhnlich.
Wir waren angesäuselt.
Wir waren angesäuselte junge Götter.
Unglaublich weise, herrlich, genial und ohne Grenzen für unsere Kräfte.
Wäre dieser Zustand zu halten,
würde ich nie wieder einen nüchternen Atemzug tun.
Aber man zahlt nach einem gewissen Tarif.
Für jede Stärke mit der entsprechenden Schwäche.
Für jedes Hoch mit *** entsprechenden Tief.
Für jeden scheinbar göttlichen Moment
mit der entsprechenden Zeit im Schleim der Reptilien.
Alles steht drin in diesem Abschnitt.
Das ist das hohe Risiko.
Wenn der Punkt des Aufhörens nicht weise gewählt wird,
finden wir uns wieder im Schleim der Reptilien.
Für den nächsten Tag gilt dann
Ernest Hemingway
Wenn man nüchtern ist, sollte man tun,
was man angekündigt hatte, als man betrunken war.
Das lehrt einen, das Maul zu halten.
Jack London, König Alkohol.
Mit *** letzten Atemzug ist alles vorbei.
Freude.
Liebe.
Trauer.
Macaroni.
Theater.
Lindenbäume.
Himbeerbonbons.
Die Macht menschlicher Beziehungen.
Klatsch.
Hundegebell.
Champagner.
Der Mensch ist letztendlich nichts anderes
als eine Abfolge von Bewusstseinszuständen.
Ein Strom vorübergehender Gedanken,
wobei jeder Gedanke an das Ich
ein anderes Ich erschafft
und eine Myriade von Gedanken,
eine Myriade von Ichs.
Es ist ein ständiges Werden,
aber niemals ein Sein.
Ein irrlichterndes Herumflitzen von Geistern im Geisterland.
Bei aller Zerstörung, die der Alkohol angerichtet hat
und ich will es nicht gegeneinander stellen,
verdanken wir ihm aber auch Gedanken wie diesen.
Wahrscheinlich spüren wir uns in den Extremen erst so richtig
oder wie es der Reiseschriftsteller und Provokateur Helge Timmerberg formuliert,
Drogen sind unsere Musen
und ich gehöre nicht zu denen, die über ihre Musen schlecht reden.
Sie machen das Leben schwierig,
aber das Schreiben leichter.
Hemingway befahl, nüchtern zu recherchieren
und mit Whisky zu schreiben.
Stephen King suhlte sich mit Opium
in Horrorvisionen und hämmerte sie
auf Kokain runter.
Hunter S. Thompson nahm Koks und harten Alkohol,
um einen geraden Satz auf die Reihe zu kriegen.
Bukowski brauchte Bier, Bier, Bier
und ich kiffte
wie Novalis, Schiller und Hesse.
So gesehen war ich ein Klassiker.
Autos brauchen Benzin
und Kreative brauchen Drogen.
Ich habe auch versucht zu analysieren,
was in unserem Gehirn passiert
oder warum wir immer wieder glauben,
dieses Gefühl des Rausches herstellen zu müssen.
Ein Versuch.
Neurologisch ist es so.
Nüchtern gleichen unsere Gehirnwindungen einem Pfad,
auf *** ständig Eisberge im Weg stehen.
Drogen schmelzen die Gletscher ab.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund,
warum sich Süchtige so verhalten.
Sie stehen auf *** Dach eines brennenden Hauses,
der Rettungshubschrauber ist schon ganz nah
und eine Sanitäterin streckt schon die Hand aus und sagt
Kommen Sie, wir können Sie retten.
Der Süchtige greift nicht dankbar zu,
sondern sagt
Geben Sie mir noch zwei Wochen Bedenkzeit.
Ich bin ein großer Fan des österreichischen *ers
und Dichters Ernst Molden.
Molden hat wie ich ein großes Verständnis für Süchtige
und in seinem Werk stolpern viele vermeintliche Verlierer
am Rande der Gesellschaft durch ihre Leben.
Molden selbst macht auf mich den Eindruck eines Genießers.
Er hat nicht nur sein eigenes Oeuvre,
sondern auch eine, wie mir scheint, eigene Lebenshaltung gefunden,
die seinen Zauber genauso ausmacht wie seine *alität
und seine dialektische Sprachgewandtheit.
Der Rabenhof ist ein Juwel in der Wiener Theaterlandschaft,
aber Sie kennen ja das alte Sprichwort
Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten.
Wie immer sind solche Plätze aber natürlich auch gefällig,
weil Suche und Sucht oft zusammenwirken.
Molden hat einen Song über die berühmt-berüchtigte
Rabenhof-Garderobe geschrieben.
Wir haben's eine neue Hocken gegeben im Dritten,
im Theater musizieren, spät auf die Nacht.
Weil ich so brav bin, hab ich gesagt,
ja bitte, gerne, danke.
Aber Gesinder hat mir das nicht gemacht.
Weil nach der Arbeit darfst du dort nicht heimgehen.
Bis heute weiß ich nicht warum.
Gerade wenn du gemiert wirst, sperrst du dich in so eine Kammer rein
und dort sitzt du dann ewig rum und um.
Keine Lüftung und kein einziges Fenster
und sitzen musst auf der Erde.
Bis nach einem endlosen Zeitraum, draußen wird's schon höh,
irgendwer kommt und die Tür aufsperrt.
Der Backstage-Bereich vom Rabenhof,
kannst mir sagen, wieso dort irgendwer bleibt
und sitzt und lacht und trinkt und raucht
bis er friert.
Oder später späbt.
Ernst Molden selbst schafft immer würdevoll den Absprung.
Er ist einer der Ersten, der geht.
Während andere morgens erst mit den Reptilien
und einem schweren Kopf voller Selbstzweifel das Theater verlassen,
sitzt Molden in meiner Vorstellung schon am Frühstückstisch
mit seinen Kindern in der Hand ein mächtiges Rauchgerät
und dichtet.
Ich habe ihn gefragt, wer das macht und er meinte nur lakonisch,
ich versuche den Letzten,
den letzten Raum nicht mehr zu betreten.
Der griechische Tragödiendichter Eubolos beschrieb die Sache so.
Für empfindsame Männer bereite ich nur drei Krater
Krater, ich habe das nachgeschaut, das sind Trinkgefäße,
vor.
Einen für die Gesundheit,
den zweiten für die Liebe und das Vergnügen,
den dritten dann für den Schlaf.
Nach *** dritten gehen die klugen Männer nach Hause.
Der vierte ist dann nicht mehr von mir.
Er gehört *** Schlaf.
Er gehört *** schlechten Verhalten.
Der fünfte *** Geschrei.
Der sechste ist für die Grobheit und Beleidigung.
Der siebte dient der Prügelei.
Der achte dient *** Zerschlagen der Möbel.
Der neunte ist für Depression.
Der zehnte dient *** Wahnsinn und der Bewusstlosigkeit.
Den letzten Raum nicht mehr betreten.
Vielleicht sogar den vorletzten schon nicht mehr.
Zum Genuss gehört der Verzicht oder so ähnlich.
Die Rationalität ist eine Egoistik.
Sie hat eine extrem dünne Membran und sie ist alkohollöslich.
Unter ihr verbirgt sich etwas,
das hässlicher sein kann als jeder Kater.
Die Wahrheit.
Wenn es denn so einfach wäre.
Bei diesem Riesenthema bleibt mir nur eins.
Ich muss die Bibel zitieren.
Wo sind Wunden ohne Grund?
Wo sind trübe Augen?
Wo man lange beim Wein sitzt
und kommt auszusaufen, was eingeschenkt ist.
Sieh den Wein nicht,
wie er so rot ist und im Glase so schön steht.
Er geht glatt ein,
aber danach beißt er wie eine Schlange
und sticht wie eine Otter.
Da werden deine Augen seltsame Dinge sehen
und dein Herz wird verkehrtes reden
und du wirst sein wie einer,
der auf hoher See sich schlafen legt
und wie einer, der oben im Mastkorb liegt.
Zitat Ende.
Prost.
Die schönsten Zitate zum Thema,
die ich aufgrund des Alkoholpilots
nicht mehr im Text untergebracht habe.
Hemingway.
Geld macht genau wie Wodka
den Menschen zum Sonderling.
Napoleon.
Nach *** Sieg verdienst du Champagner.
Nach der Niederlage brauchst du ihn.
Mark Twain.
Zu viel ist von allem schlecht.
Zu viel Champagner ist genau richtig.
Amelino Tomp.
Einen Rausch sollte man nicht
improvisieren.
Sich zu betrinken ist eine Kunst,
die Talent und Sorgfalt erfordert.
Die Sache *** Zufall zu überlassen
führt zu nichts.
Truman Capote.
Um gut schreiben zu können,
muss man etwas Kühleres
in den Adern haben als Blut.
Wenn Sie Menschen beim Trinken zuschauen
und dabei gleichzeitig gute Serien sehen wollen,
rate ich zu den folgenden.
Patrick Melrose.
Patrick Melrose.
Mad Men.
Deadwood.
Boardwalk Empire.
Game of Thrones.
Shameless.
Absolutely Fabulous.
Parks and Recreation.
Big Little Lies.
Es ist ja so, dass Nächte mit Alkohol
häufig sehr lang und auch sehr hart sein können
und es daher nicht jede Wahrheit
unausgesprochen bis zum nächsten Morgen schafft,
weswegen es dafür auch ein eigenes Phänomen gibt,
das betrunkene Gestund.
Ich mache Ihnen jetzt auch noch ein Geständnis,
das nüchtern für immer verschwiegen worden wäre.
In meiner Jugend kellnerte ich,
weil ich als Schulsprecher mit der Forderung
reiche Eltern für alle nicht weitergekommen war
und meine Eltern es ihrerseits nicht schafften,
mir ein meinem Lebensstil
entsprechendes Taschengeld zur Verfügung zu stellen,
musste ich eben abends an der Bar stehen
und kam so früh aus einer Beobachterperspektive
mit König Alkohol in Berührung.
Einmal war es so, dass ich mich nicht mehr so gut fühlte,
eines Tages bestellte eine größere Runde Schnaps.
Der Redelsführer winkte mich an den Tisch und sagte,
junger Mann, welche Schnäpse kannst du uns denn empfehlen?
Ich kannte nur Birne und sagte deshalb wahrheitsgemäß Birne.
Sie bestellten, es schmeckte.
Sie waren so betrunken, dass ihnen ohnehin alles geschmeckt hätte,
aber das wusste ich damals noch nicht.
Sie bestellten weitere Runden und irgendwann wollte der Redelsführer
wissen, von welchem Brenner denn der Schnaps sei.
Ich ging die Flasche holen und sagte, von Williams.
Sie lachten und tranken weiter.
Und wenn wir schon dabei sind,
dann soll auch dieses Kapitel ausufern und ausfransen
wie eine Nacht mit zu vielen Flaschen Wein.
Es gibt wunderbare Mythen und Geschichten
um den Schauspieler Peter O'Toole.
Die beste hat er selbst in einer Talkshow erzählt.
Er spricht in diesem Interview über einen Dreh
irgendwo im Nirgendwo und er und ein Kollege
verspürten noch Durst.
Ich kenne das nur zu gut, weil auch Stipschitz und ich
manchmal noch Durst hatten.
Jedenfalls hatten sie alle drei Bars der Gegend
bis zur absoluten Sperrstunde ausgereizt
und auch in der letzten gab es eine allerletzte Runde.
O'Toole war noch immer durstig.
Der Barkeeper wollte aber partout nichts mehr ausschenken.
Der Moderator fragt O'Toole,
What happened then?
Und Peter O'Toole antwortet,
And then we bought the bar.
Also trinken Sie noch ein letztes,
wirklich allerletztes Glas mit mir, bitte.
Ich stehe so gerne an Bars.
Barkeeper sind ja die Beichtväter
und Beichtmütter der Moderne.
Aus einem Lautsprecher summt Sinatra
One for my baby and one for the road.
Der Barkeeper ist ein kleiner Mann.
Komisch, dass mir das noch gar nicht aufgefallen ist.
Er verschwindet komplett,
komplett hinterm Tresen.
Wenn er mit mir spricht,
muss er auf die Budel klettern.
Barmann, geht noch einer?
Ich bin immer für dich da.
Vor allem bin ich gezwungenermaßen
immer da, wo du bist.
Hä?
Egal.
Was darf es sein?
Zwei Whisky.
Es geht mich zwar nichts an,
aber du kannst auch einen Doppelten bestellen.
Nein, kann ich nicht.
Mein Freund,
sitzt in einer Bar in Graz
und bestellt dort zwei Whisky
und dann stoßen wir sozusagen an.
Das haben wir während der Corona-Krise
immer so gemacht.
Ich trinke die beiden Whisky aus.
Jetzt ist alles schon sehr schummrig
und gemütlich.
Und klar, das Bett ist verlockend,
aber der Weg dahin so weit
und um diese Zeit
kriegt man auch kein Taxi mehr so leicht.
Noch einen Whisky, dann gehe ich.
Oh, deinem Freund in Graz?
Wird doch hoffentlich nichts passiert sein.
Nein, nein, *** geht es ausgezeichnet.
Ich habe nur beschlossen,
wieder eine längere Zeit
nichts zu trinken.